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„Umgedrehte Kommode“

Wettbewerb | 2. Preis | 2024

Die „Umgedrehte Kommode“, ein 1873 fertiggestellter, dem Historismus zuzurechnender Wasserturm, soll als bedeutendes bremisches Baudenkmal einer neuen Nutzung zugeführt werden und zukünftig eine positiv ausstrahlende Wirkung für den Stadtwerder entfalten. Da­bei soll das äußere Erscheinungsbild und die Denkmalsubstanz gewahrt und passend bzw. an­gemessen weiterentwickelt werden. Das zukünftige Nutzungsspektrum soll sowohl flexible gewerbliche Nutzungen als auch Wohnnutzungen umfassen. Die Nutzungen sollen sich so in das bauliche und räumliche Ge­füge einfügen, dass ein auf die konstituierenden Elemente des Denkmals bezogener Erhalt der Substanz möglich ist.

Projektdetails

Anforderungen an das Denkmal und prinzipielle architektonische Antwort

Der liebevoll- despektierliche Name „Umgedrehte Kommode“, den die Bremer ihrem Wasserturm gegeben haben, sagt einiges über dieses exzeptionelle Bauwerk aus. Die eigenwillig gestaltete Hülle um ein eigentlich technisches Bauwerk will diesen als Architektur, als Werk der Baukunst wahrgenommen wissen. Aus städtebaulicher Sicht ist ihm die Fernwirkung aufgrund seiner prominenten Lage, seiner Größe und nicht zuletzt seiner einprägsamen Form sicher. Aus architektonischer Sicht in näherer Betrachtung sind die unmittelbar in Erscheinung tretenden Massen, die „kolossale“ Gestaltung, und -trotz großflächiger Fenster- die Konnotationen mit Bildern einer wehrhaften Burg prägend.

Eine neue Nutzung muss sich mit dieser Wahrnehmung auseinandersetzen und beabsichtigte Veränderungen sorgsam abwägen. Das gilt auch für die Wahrnehmung der Innenräume, deren Bild neben der in Teilen „unpassenden“ Fassadengliederung durch die enormen Stahl-Tragkonstruktionen insbesondere der Decken geprägt wird, und nicht zuletzt durch die Veränderungen und Spuren, die im Verlauf der Zeit hinzukamen.

Unser Ansatz ist daher: der Erhalt der originären architektonischen Aussagen inclusive möglichst aller wesentlichen Schichten und Spuren. In die neuen Nutzungen als Gewerbe- und Büroräume und als Wohnungen sollen diese Spuren als prägende Besonderheit integriert werden. Dem Erhalt und der Lesbarkeit der Spuren stehen die formal und in ihrer Materialität erkennbar neuen „Schichten“ der geplanten Interventionen und Einbauten gegenüber.

Wasserturm

Der Innenhof zwischen Kesselhaus und Wasserturm dient als Begegnungsort der verschiedenen Nutzer der Häuser und soll auch gastronomisch genutzt werden.

Im 2. und 3. Obergeschoss sollen im wesentlichen Maisonette- Wohnungen in engem Bezug zur bestehenden Gebäude- und Fassadenstruktur eingebaut werden. Auf die zweigeschossigen Fenster antwortet ein zweigeschossiger Raum, der Wohn- und Schlafebene verbindet und die ursprüngliche Höhe der Räume erleben lässt. Die Einbauten sind als „hölzerne“ Einbauten gestaltet, deren wohnlich-warme Oberfläche im Kontrast zur Ruppigkeit des Bestandes steht. Die Balkone sollen ähnlich wie im Bestand vorhanden als sehr leichte Schicht vor den Fenstern bzw. oberhalb der Baluster ausgebildet werden.

Zur Nutzbarmachung und Belichtung des unbelichteten 4.OG schlagen wir vor, dieses mit dem 5.OG zu Maisonette- Büros zu gestalten. Das Licht fällt wie durch einen Obergaden auf die untere Ebene, die außer Nebenfunktionen im dunklen Raumbereich (WC, Teeküche) Großraumbüros und Konferenzräume bereithält.        

Wegen der prägenden großen Fachwerkträger (Fischbauchträger) halten wir das 6. Geschoss nicht gut für eine Wohnnutzung geeignet. Die Flächen können hier in unterschiedlich große Büros geteilt werden. Die Nebenräume sollen idealerweise in einer Raum-im-Raum-Lösung (Box) gebaut werden.  

Die Lanzett- Fenster des 7. Geschosses werden rundherum wieder geöffnet. An den Ecken lassen sich Verandaartige Außenräume ausbilden, um die sich die Wohnfunktionen der großzügigen Geschosswohnungen gruppieren.

Das bestehende Dach weicht einem neuen Baukörpe (im 9.OG) mit Abstand zur historischen Kubatur. Hier sollen Maisonette-Wohnungen entstehen, deren Schlafräume (8.OG) um einen nach oben offenem Patio orientiert sind. Die Wohnebene darüber (9.OG) mit großzügig befensterten Fassaden und Ausblick über die Stadt nutzt die Dachbereiche oberhalb des Schlafgeschosses (8.OG) als Terrassen. Entlang der Außenmauer/ Attika gelangt man zu den Turmräumen, die als „Pavillons“ genutzt werden können. Das Aufgeben des originären Daches erfordert u.E. eine klare architektonische Formulierung des neuen Abschlusses, die respektvollen Bezug nimmt auf den Bestand und zugleich sich verständlich lesbar von ihm unterscheidet. Unser Vorschlag soll dazu eine mögliche Antwort geben: aus der Nähe wird die Veränderung gar nicht sichtbar sein, aus der Fernsicht wird sie als neuer Abschluss in einer geometrisch definierten und vom Bestand lösenden Kontur in Erscheinung treten und dabei die Dominanz des Denkmals wahren.