Neugestaltung St. Nikolaus, Kiel
Wettbewerb | 2021
Aufgabenstellung des Wettbewerbs war es, der durch Kriegszerstörungen teilweise beschädigten und im Rahmen des Wiederaufbaus zeitgenössisch stark veränderten St. Nikolaus Kirche in Kiel ein neues, angemessenes Portal zu geben. Auch war es Aufgabe, den Innenraum neu zu strukturieren, neue Konzepte für eine zukunftssfähige und vielfältigere Nutzung aufzuzeigen, sowie einen neuen Ort für die Taufe und einen Andachtsraum zu finden
Projektdetails
VORAUSSETZUNGEN
Die Kirche St. Nikolaus wurde ab 1890 in basilikalem Querschnitt im Stil der Neugotik als erster nachreformatorischer katholischer Kirchenbau in Kiel errichtet. Die neugotische Architektursprache ist mit der gewählten Typologie, ihren Proportionen und Formelementen nach wie vor prägend für das Erscheinungsbild des Innenraums, auch wenn die ursprüngliche aufeinander bezugnehmende Gestaltung der Wände, Gewölbe, Fenster und der Innenausstattung nicht mehr vorhanden ist. Der Wiederaufbau nach den (Teil-) Zerstörungen des zweiten Weltkriegs fand im Wesentlichen in zwei Schritten statt; dabei bleiben im ersten Schritt der Wiederherstellung sowohl Turm als auch Westfassade und südlicher Kappellenanbau erhalten. Erst 1967 wurde die ursprüngliche differenziert gegliederte Westfassade mit ihren Eingängen, dem Turmensemble und der Kapelle zugunsten einer neuen, auf Schmuck und Gliederung völlig verzichtenden Architektur aufgegeben. Der Eingang wurde auf die Südseite verlegt und als niedriger, eingeschobener Baukörper formuliert. Durch das Entfernen der Eingänge an der Rathausstraße und das komplette Schließen der Fassade wurde ein wesentlicher, prägender Teil der ursprünglichen Architektur aufgegeben; die Kirche hat dadurch den direkten „Kontakt“ zur unmittelbaren Umgebung verloren; der heutige Nebeneingang an der Rathausstraße ist dafür kein Ersatz und sowohl aus städtebaulicher als auch aus architektonischer Sicht wenig überzeugend.
GESTALTERISCHE ANSÄTZE
„Aufräumen“ – Befreien der Seitenschiffe
Ein Raum, der zu voll „möbliert“ ist, hat es schwer, einladend zu wirken und ist in seinen Möglichkeiten begrenzt. Die Bänke in den Seitenschiffen sollten aufgegeben werden zugunsten eines im „Normalfall“ leeren Raumes.
Der freie Raum der Seitenschiffe steht zur Verfügung, um je nach Bedarf genutzt werden zu können: neben dem Zusammenkommen nach dem Gottesdienst, können auch besondere Gottesdienstormate, aber auch Gesprächsveranstaltungen oder Vorträge hier stattfinden
Altarraum
Zugunsten einer ebenfalls flexibleren Nutzung sollte der bislang fest verortete Pristersitz Bestandteil der Sediliengruppe werden, aus der er durch seine Gestalt herausgehoben wird; seine Position kann dadurch auch variieren. Die Möglichkeiten der Anordnung der Sedilien und ggf. Stühle sind flexibel, verschiedenste Konfigurationen sind denkbar. Das Altarretabel lagerte ursprünglich auf einem klar und zurückhaltend gestalteten Stahlrahmen; der historisierende Mauersockel sollte entfernt und der ursprüngliche Rahmen wieder verwendet werden.
Ort der Stille und des Gedenkens Die heutige Situation dieses für viele Gläubige wichtigen Raums wird heute gestört durch seine Offenheit und die unmittelbare Nachbarschaft zum Nebeneingang
Der Nebeneingang an dieser Stelle sollte aufgegeben werden, indem die vorhandene Öffnung bis auf einen schmalen Fensterschlitz geschlossen wird. Die innenräumliche Situation und das Erscheinungsbild der Kirche an der Rathausstraße werden dadurch aufgewertet. Eine Bank mit hoher Rückenlehne bietet den notwendigen Schutz und schließt den Kapellenraum. Die Pietà erhält einen neuen Sockel in Form einer Bronzestele.
Taufe Der Raumbereich unterhalb der Orgelempore ist geprägt von der Nähe zum Eingang und von der niedrigen Deckenhöhe und unterscheidet sich hierdurch deutlich von den Kirchenschiffen. Hier, am Kreuzungspunkt von Eingangsachse und Mittelachse, könnte das Taufbecken seinen neuen Platz finden, um das herum sich eine kleinere Taufgemeinde versammeln kann. Das Sakrament der Taufe als Initiationssakrament wird an diesem Ort für jeden Besucher besonders deutlich.
In der Westwand wird eine neue Öffnung hergestellt: sie weist auf das ursprüngliche Hauptportal hin, über das man früher in die Kirche trat und stellt eine (Sicht-) Beziehung zwischen innen und außen her, die auch symbolisch verstanden werden kann. Genauso wird die Außenfassade durch den neuen Einschnitt, der auch im Detail als „Schnitt“ ins Mauerwerk kenntlich gemacht wird, gewinnen, weil er der Fassade einen gestalterischen Schwerpunkt gibt. Im Inneren wird das neue Fenster von den umgebenden Räumen (Treppe und neues Stuhllager) flankiert, deren Wände mit dunkel brünierten Messingblechen gefasst sind.
Eingang
Da sich an der Südseite ursprünglich ein Kapellenanbau befand, hat es hier nie eine Öffnung gegeben, die den Fenstern der Seitenschiffe (mit Spitzbogen) entsprach. Die Öffnung ist daher als bewusst neue Öffnung in Form eines schlanken hohen Rechtecks gestaltet. In diese Öffnung ist ein tiefer Portalrahmen gestellt, der einen Windfang bildet. Durch den Lichteinfall oberhalb des Portals wird der Eingangsbereich großzügig mit Tageslicht versorgt und freundlich aufgehellt werden. In der Außenansicht zeigt sich die Änderung der Eingangssituation als selbstbewusstes neues Element. In diesem Zusammenhang sollte auch der Platz im Süden so umgestaltet werden, dass er als echter Kirchplatz dienen kann.
Gestaltung der Oberflächen
Die gewünschte „hellere Optik“ wird – wie auch auf historischen Bildern des Kircheninnenraums ersichtlich – durch einen hellen Neuanstrich der geputzten Flächen mit Kalkfarben, der die ziegelsichtigen Bauteile als Gliederungselemente weiterhin erkennbar lässt und durch die zusätzlichen neuen Fenster erreicht.